Das Märchen vom feurigen Monat Oktober
Herbstmärchen – Ein besonderer Monat ist der Oktober. Ein wilder und bunter, ein mal gut gelaunter, mal wütender, mal trauriger Monat. Er ist ganz besonders eben, irgendwie, und er hat auch viel zu tun. Eigentlich ist er es, der alles verändert: Es wird zunehmend dunkel, kalt, stürmisch, regnerisch, die Blätter fallen von den Bäumen, die Tiere bereiten ihre Winterquartiere vor, die letzten Ernten werden eingebracht, die Felder und Gärten auf die Winterruhe vorbereitet. Und die Menschen, die feiern rasch noch ein paar Feste und dann ziehen sie sich in ihre warmen Zimmer zurück. Ja, so ist das im Oktober.
“Weg da! Macht Platz! Geht zur Seite!”
Mit seinem lauten, stürmischen Brausen hörte man ihn schon von weitem nahen. Tage zuvor schon. Und alle im Land sputeten sich.
“Der Oktober kommt! Seid vorbereitet! Und beeilt euch!”, hallte es über Wiesen und Felder, durch Obstgärten, Weinberge und Wälder, in Parks und in Gärten.
Rasch ernteten die Obstgärtner Äpfel, Birnen und Nüsse, die Winzer schnitten die Trauben und die Landwirte holten die letzten Kartoffeln, Rüben, Kürbisse und das Wintergemüse von den Feldern. Das Vieh bezog in den Ställen Winterquartier, die Wildtiere futterten sich noch einmal tüchtig die Bäuche voll, bevor sie ihre Winterschlafquartiere aufsuchten oder sich zum verspäteten Flug in den warmen Süden aufmachten, und die Pflanzen und Bäume sogen die letzten Säfte aus Blättern und Blattstängeln in ihre Wurzeln.
“Ihr flieht vor mir? Warum? Was habe ich euch getan?”
Überrascht und auch ein bisschen traurig stand der Oktober im Land und betrachtete das hektische Treiben ringsum. Was war los? Flohen sie alle vor ihm? Seine Traurigkeit verwandelte sich in Wut. Er knallte seine Pinsel in die Farbtöpfe, tauchte sie tief in die roten, gelben und braunen Farben, rührte um und schleuderte sie übers Land. Überall hin spritzte er seine Wutfarbtropfen, und bald trug die Natur ein feurig rotgelbbraunes Kleid. Schön sah das aus!
“Ha!”, rief der Oktober. “Seht ihr mich und meine einzigartige Malkunst? Nein? Ihr beachtet sie nicht, weil ihr so sehr beschäftigt und in Eile seid? Okay! Dann bleibt mir nur, sie euch um die Köpfe zu fegen.”
Er rief seine Herbststurmriesen und Windgeister herbei und gemeinsam pfiffen und tosten und brausten und tobten sie über Berge und Höhen, fegten in Wiesen, Felder, Wälder, Gärten und Straßen hinein und rissen den Bäumen und Sträuchern ihr buntes Laub von Zweigen und Kronen. Wild und kunterbunt wirbelten und tanzten die Blätter durch die Luft, bevor sie sich auf Dächern, Wegen, Straßen, Wiesen, Waldböden, Feldern und Menschenköpfen zur Ruhe niederlegten. Bunt und welk und tot.
Und weiter tobte der Oktober und immer weiter, bis ihm die Luft ausging.
Ganz außer Puste stand er nun da und sah sich um. Wie sehr hatte sich das Land verändert. Kahl war es und irgendwie schien es ebenfalls außer Puste zu sein.
“Nun habe ich meine Kunst zerstört”, klagte der Oktober. Er sagte es leise, und seine Monatskollegen nickten stumm. Und leise und stumm zog sich der Oktober zurück. Sein Zepter reichte er gerne weiter an seinen Nachfolger, der in ein kühles, graues Nebelgewand eingehüllt an ihm vorbei glitt und sich sanft über das Land legte.
© Elke Bräunling
Noch mehr über den Oktober
Als die Oktoberfee das Land bunt bemalte
Als die Oktoberfrau ein Abenteuer suchte
Vom Oktober – Ein Sachtext
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