Kristanella und das Wintergewitter

Märchen vom Warten auf Schnee – Ist es das Werk von Prinzessin Kristanella, dass es nicht schneit?

Der Schneekönig ist ein glücklicher König. Zwölf Töchter und zwölf Söhne hat er. Das sind die Schneeprinzessinnen und Schneeprinzen. Der Schneekönig liebt seine Kinder über alles. Am meisten aber liebt er Kristanella, seine jüngste Tochter. Er verwöhnt sie auch am meisten.
Einmal aber war er sehr wütend auf sie. Es war das Jahr, in dem Kristanella zum ersten Mal arbeiten und den Schneeflocken ihren Weg zur Erde weisen sollte.
“Es ist an der Zeit, dass eine rechte Schneeprinzessin aus dir wird”, sagte der Schneekönig zu Kristanella.
“Aber ich möchte lieber mit meinen Flocken über den Himmel tanzen und singen und lachen”, maulte Kristanella. “Bitte!”
Sie bettelte und schmeichelte, doch ihr Vater blieb hart. Er zeigte auf ein Land mit Bergen und weiten Tälern.
“Dies ist dein Schneeland. Ich wünsche, dass es morgen prächtig weiß und tief verschneit ist.”
“Aber ich…”, begann Kristanella, doch der Schneekönig ließ sie nicht ausreden:
“Tu deine Pflicht!”, sagte er streng.
“Pah!“, trotzte Kristanella. “Ich verschenke doch nicht meine geliebten Flocken!”
Dann tobte sie über den Himmel, tanzte, lachte, sang und freute sich.
Der Schneekönig aber ärgerte sich sehr, wenn er auf das kleine Land mit den welken Winterwiesen und kahlen Bergen blickte. Bald war Weihnachten.
Wo blieb Kristanella mit ihren Flocken? Wo blieb der Schnee?
Das fragten sich auch die Kinder in dem Land.
“Wo bleibt der Schnee?“, riefen sie traurig in den Himmel hinauf. “Wir wollen Schnee in den Weihnachtsferien.”
Kristanella aber machte nur eine lange Nase und lachte.
“Kristanella!“, rief der Schneekönig wieder. “Tu deine Pflicht!”
“Pflicht? Hihihihiiiiii….”, gab Kristanella zur Antwort.
“Schneien, hihi, tu ich nie-ie-ie-ie-ie-ie!”
Da brüllte der Schneekönig so donnernd laut los, wie er noch nie in seinem Leben gebrüllt hatte. Der Himmel zuckte zusammen, Wolken bäumten sich auf und Blitze zischten zur Erde. Es donnerte, blitzte und dröhnte. Und der Schneekönig brüllte:
“Kristanella! Kristanella! Auf zur Erde, dass es werde hell und heller, schneeweiß klar. Kristanella! Kristanella! Auf die Reise! Sei so weise, schnell und schneller, bist du da!”
Ein besonders heller Blitz zuckte auf, und Kristanella sah in seinem Licht das wütende Gesicht ihres Vaters.
“Er scheint böse zu sein”, wisperte sie.
Sie war nun doch ängstlich geworden.
Angst hatten auch die Menschen.
“Ein Wintergewitter”, sagten die Erwachsenen.
“Vielleicht schneit es endlich”, hofften die Kinder und klammerten sich an ihre Eltern.
“Auf zur Erde, ihr Flocken!“, rief Kristanella und hatte auf einmal genauso viel Angst wie die Kinder. Und schon wirbelten erste Schneeflocken vom Himmel.
“Es schneit“, riefen die Kinder. “Juchhu! Endlich Schnee.” Fröhlich rannten sie in das Schneeflockengestöber hinaus.
Zufrieden sah der Schneekönig zur Erde hinab.
“Na also”, brummte er, und es klang wie leises Donnergrollen. “Wozu ein Gewitter doch manchmal gut ist!”
Kristanella aber nahm traurig von ihren Flocken Abschied.
Als sie aber sah, wie sehr sich die Kinder über den Schnee freuten, war sie getröstet. Ja, sie war fast ein bisschen stolz auf ihr Werk. Und hatten ihr nicht die Flocken zum Abschied “Wir-sehen-uns-bald-wieder?” zugerufen? Wenn das stimmte…!?
Kristanella blickte über das weiße Schneeland und sang mit heller, kristallklarer Stimme:
“Bald sehn wir uns wieder, Flocken, und ich sing euch Lieder…”
Sie sang und sang, ja, und das tut sie seither jeden Winter.
Man kann sie hören, manchmal, an besonders hellen Wintertagen, wenn die Sonne scheint und Schneesterne funkeln.
Habt ihr es schon gehört? Psst! Leise! Ohren spitzen!

© Elke Bräunling

 

Ein Wintergewitter, Bildquelle © kellepics/pixabay

 

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