Vom Ernten und Stoppeln
Eine etwas andere Erntegeschichte – Es gibt nach der Ernte noch viel zu “ernten”
Leckeren Kuchen und die beste Marmelade auf der Welt haben Pia, Pit und Opa bei Großtante Luise zum Nachmittagskaffee gegessen.
„Und jetzt“, sagt die Großtante, „gehen wir auf die Felder zum Stoppeln.“
„Stoppeln? Was ist das denn?“, fragt Pia.
„Hehe! Es klingt wie Hoppeln!“, ruft Pit. „Spielen wir Häschen und hoppeln über die Felder?“
Die Großtante bricht in lautes Gelächter aus und wie immer, wenn sie schallend lacht, müssen alle anderen auch lachen. Das ist eben so mit Großtante Luise.
„Das stelle ich mir hübsch vor. Hoho!“ Sie japst vor Vergnügen und Opa muss ihr mit der flachen Hand auf den Rücken hauen.
„Hi … hi … ho … ho! A-ha-ber, w-hi-wie sollt ihr Stadtmäuse das Stoppeln auch kennen? Noch dazu so junge Stadtmäuse, wie ihr es seid! Hi … hi … ho … ho!“
Aber auch Opa kratzt sich, verlegen fast, am Kinn.
„Also, wenn ich ehrlich bin“, sagt er, „so weiß ich auch nicht mehr so genau, was Stoppeln bedeutet, Luise. Ich bin ebenfalls zur Stadtmaus geworden.“
Die Großtante muss gleich wieder lachen. „Eine ‚Opamaus‘ bist du. Und nun tu nicht so und erinnere dich! Als Kinder haben wir im August und September fast jeden freien Nachmittag beim Stoppeln verbracht. Damals, in der Nachkriegszeit und später auch.”
Opa wird blass. „Mit Verlaub“, sagt er und seine Stimme klingt ein bisschen beleidigt. „Zu Nachkriegszeiten war ich noch nicht auf der Welt.“
„Richtig.“ Die Großtante erinnert sich. „Du bist ja der Kleinste von meinen Cousins und Cousinen. Aber mit Körben und Säcken über Felder und durch die Obstgärten gestreift, sind wir eigentlich immer am Ende des Sommers. Eigentlich gehe ich schon mein ganzes Leben lang zum Stoppeln.“
„Mit Körben und Säcken seid ihr in die Obstgärten und Felder gegangen?“, fragt Pit mit aufgerissenen Augen. „Dann habt ihr geklaut! Seid ihr Obst- und Gemüsediebe gewesen?“
Auch Pia ist erschrocken. „Stehlen ist doch verboten, Tante Luise!“
„Wer sagt, dass wir die Bauern bestohlen haben? Wir haben natürlich vorher gefragt und uns die Erlaubnis eingeholt.“
Opa nickt. „Stimmt. Es fällt mir wieder ein. Stoppeln ist nicht Stehlen. Es ist so etwas wie eine zweite Ernte.“
„Zweite Ernte?“, fragt Pia.
„Also habt ihr doch geklaut“, meint Pit. „Ein bisschen?“
Die Großtante lächelt. „Nicht ganz.“
Dann erklärt sie den Geschwistern, dass viele Landwirte die Erlaubnis dazu geben, in Feldern, Obst- und Gemüsegärten nach der Ernte übrig gebliebene Früchte aufzusammeln.
„Es macht ja keinen Sinn, diese Nahrungsmittel unterzupflügen. Und nachhaltig ist es auch nicht“, sagt sie. „Und deshalb gehen wir nun ein bisschen stoppeln. Ihr werdet staunen, was wir da draußen an leckeren Köstlichkeiten finden.“
© Elke Bräunling
Wie es bei Oma im Herbst aussieht, findest du in diesem Gedicht: Bei Oma im Herbst
Bei Opa Huber im Garten wächst eine besondere Tomate. Wer sie wohl ernten wird? Opa Huber, die Tomate und das Glück und Die riesig große Riesentomate
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Und diese Ernte ist auch wieder anders: Erntefest im Schulhof und Erntedank und Gartenglück
Diese Geschichte findest du neben vielen anderen in dem Buch: Hör mal, Oma! Ich erzähle Dir eine Geschichte vom Landleben
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Erntezeit, Bildquelle © Free-Photos/pixapay
Ja, an das „Stoppeln“ in den 50 / 60 er Jahren kann ich mich noch sehr gut erinnern.
Nach 1946 ist unsere Familie umgesiedelt und auf einem Bauernhof in Niedersachsen einquartiert worden. Das Einsammeln dürfen verschiedenster Feldfrüchte hat uns sehr geholfen.
Das hat mich sehr geprägt im Umgang mit unseren Nahrungsmitteln.
Danke, für diese Erinnerung!
Viele Bauern sollen damals ja auch manche Felder absichtlich nicht ganz abgeerntet haben, um hungrigen Menschen auf diese Weise ein bisschen zu helfen. So hat mir das meine Mama erzählt, die in dieser Zeit Kind war. Ein Teil meiner Familie wurde übrigens auch umgesiedelt, 1939 in der Aktion „Heim ins Reich“ aus dem Baltikum. Das haben sie alle seelisch nicht verkraftet. Was für Zeiten damals!
„Stoppeln“, das haben einige Leute hier in den Weinberggegenden noch bis vor kurzem gesagt. Wir Kinder haben uns immer riesig gefreut, nach der Weinlese die Resttrauben von den Weinstöcken zu stoppeln. Das hat mich auch zu der Geschichte inspiriert.
Einen schönen Abend und liebe Grüße
Liebe Elke,
ich finde alle deine Geschichte ganz prima!
Wenn ich die vorlese, hören die Senioren des Altenheimes mit volle Aufmerksamkeit und schmünzeln sie auch.
Dankeschön!
Herzliche Grüße
Laura Baumgarten
Dankeschön! Ich freue mich sehr über dieses Feedback.
Haben Sie weiter viel Freude mit den Geschichten und herzliche Grüße auch an “Ihre” Senioren.
Lieber Gruß <3
Ele