Der Gruß des Weihnachtsglöckchens
Märchen zu Heiligabend – Als ein Glöckchen die Weihnachtsnacht heller machte
„Spät in der Weihnachtsnacht läutete ein Glöckchen. Es hallte von oben, vom Burgberg, ins Tal herab und grüßte das schlafende Städtchen mit hellen Klängen, die an ein Lied erinnerten.
Die wenigen Leute, die so spät noch unterwegs waren, wunderten sich. Seit wann gab es dort oben in der alten Burg eine Glocke? In der Burgkapelle vielleicht? Aber das war doch eine Ruine! Hm! Seltsam war das, sehr seltsam.
„Haben Sie das auch gehört?“, fragte der alte Jonas, der mit seinen unzähligen Tüten und Taschen unterwegs war. Er war auf der Suche nach einem Schlafquartier und wollte es im alten Bahnhof versuchen. Vielleicht hatte er Glück und man ließ ihn heute dort übernachten, wo doch Weihnachten war.
Der Bahnhofsvorsteher nickte. „Ja, ich habe es auch gehört und mich gewundert, aber nun muss ich schnell nach Hause, meine Familie wartet auf mich. Fröhliche Weihnachten, Jonas!“, sagte er. Er nahm seine lederne Aktentasche, griff hinein und überreichte dem Jonas seine Thermoskanne. „Es ist noch heißer Tee drin“, sagte er. „Stell die Kanne dann vor meine Bürotür!“
Der alte Jonas nickte. „Ich danke dir. Etwas Warmes im Magen wird gut tun.“
Er rieb sich mit den klammen Hände die Arme. Das wärmte. Es war aber auch kalt geworden in dieser Nacht, die keine weiße Schneeweihnachtsnacht sein sollte. „Frohes Fest!“, rief er seinem Gönner zu.
Gerade wollte er sich auf die Bank im Wartesaal setzen, als das Glöckchen wieder seine perlende Melodie durch die Nacht sandte. Schön klang das, so wunderschön! Jonas erlaubte sich, für einen Moment die Augen zu schließen.
Fast glaubte er zu träumen, als zu den Glockenklängen nun helle Stimmen einsetzten, die die Melodie aufnahmen. Verwirrt schaute der alte Jonas auf. War er etwa gar nicht allein in der Halle? Er konnte aber niemanden entdecken. Trotzdem lauschte er verzückt dem Gesang. So hatte er früher auch gesungen, als er im Kirchenchor gewesen war. Jetzt erinnerte er sich auch wieder an das Lied und an dessen Worte. „Süßer die Glocken nie klingen als zu der Weihnachtszeit. S’ist als ob Engelein singen wieder von Frieden und Freud…“
Wieder blickte er sich um. Die Stimmen, sie klangen so nah. Aber nichts. Da war nichts. Noch einmal erklang der Refrain des Liedes durch die Nacht, dann war es wieder still ringsum. Mucksmäuschenstill.
Ein Wunder? Hieß es nicht, in dieser Nacht würden manchmal Wunder geschehen?
„Weihnachten!“, flüsterte der alte Jonas. „Gerade war Weihnachten auch bei mir. Danke. Dankeschön!“
Und ein jungenhaftes Lächeln überzog sein faltiges Gesicht, als das Glöckchen von oben vom Berg mit einem fröhlichen „Bitte! Bitteschön!“ antwortete.
© Elke Bräunling & Regina Meier zu Verl
Glöckchenklang vom Berge, Bildquelle © Mylene2401/pixabay