Der Pechvogel
Fröhliche Kindergeschichte von Glück und Pech und guten Freunden
“Ich habe nie Glück”, mault Mia und blickt ihren Freunden hinterher, die zur Eisbude laufen.
Längst hat sie ihr Taschengeld ausgegeben, und Mama sagt, wer nicht sparen mag, muss eben auch einmal verzichten. Als Mama dann noch fragt, wozu Mia eigentlich das viele Taschengeld ausgegeben habe, macht die sich rasch aus dem Staub.
“Für Eis natürlich”, brummt sie unterwegs. “Wofür denn sonst?”
Was für eine dumme Frage! Und was für eine geizige Mutter!
“Ich habe eben kein Glück. Nie habe ich das. Ein richtiger Pechvogel bin ich. Jawohl”, murrt Mia und setzt sich auf eine Spielplatzschaukel.
“Bäh! Bähkräh!”, krächzt es da, und ein großer schwarzer Vogel setzt sich neben sie auf die Nachbarschaukel. “Wer bin ich denn, wenn du ein Pechvogel bist?”
Mia muss lachen, als sie auf das schmutzig schwarze Federkleid des Vogels blickt. Irgendwie zerrupft sieht es aus.
“Stimmt”, sagt sie. “Du siehst eher nach Pech aus.”
Der Vogel nickt. “Ja, schwarz und schmutzig und zerfleddert bin ich. Ich hatte nämlich gerade etwas Ärger mit einem Kollegen. Und der war, so scheint mir, etwas stärker gewesen als ich.”
“Armer schwarzer Pechvogel!” Mitleidig schaut Mia auf den Raben. “Hat er dir denn weh getan, dein Kollege?”
“Es geht”, sagt der Vogel. “Doch erzähle, gegen wen hast du gekämpft? Zerrupft siehst du nicht aus. Du bist auch nicht pechschwarz. Gar nichts sieht an dir nach Pech aus.”
“Mein Pech ist, dass ich pleite bin”, sagt Mia, “und dass ich mir deshalb kein Eis kaufen kann.”
Da lacht der Rabe. “Dann bist du ein Pleitegeier und kein Pechvogel.”
“Und du”, ruft Mia schnell, “bist ein Pechvogel UND ein Unglücksrabe.”
“Stimmt.” Fröhlich krächzend schwingt sich der Rabe in die Lüfte. “Aber ich mache mir nichts daraus. Nächstes Jahr werde ich stärker sein. Ich muss nämlich noch wachsen.”
“Geht nicht. Ohne Eis kann ich nicht schnell wachsen”, ruft Mia dem Vogel hinterher.
“Dann lass dein Taschengeld wachsen”, kichert es von oben.
Dann ist der Rabe verschwunden.
“Wenn das so einfach wäre!”, seufzt Mia, die nun kein Pechvogel oder Unglücksrabe und schon gar nicht ein Pleitegeier sein will. Sie beginnt wieder zu schaukeln. Ihre Laune ist schon besser.
Da sieht sie ihre Freunde kommen, allen voran Max. Er hält ihr einen Eisbecher vor die Nase.
“Für dich!”, sagt er. “Ein Geschenk, weil du mir heute in der Schule beim Rechnen geholfen hast.”
“Danke”, freut sich Mia und hungrig macht sie sich über das Eis her. Auf einmal fällt ihr die Sache mit dem Pechvogel wieder ein.
“Was für ein Glück! Hihi. Ein richtiger Glückspilz bin ich heute. Stimmt´s?”
© Elke Bräunling
Pechvogel?, Bildquelle © cocoparisienne/pixabay