Das Engelchen und das Lied der Freude
Weihnachtsmärchen für Groß und Klein – Auf der Suche nach der verlorenen Freude
Einmal hatte sich ein Engelchen von seinem Platz am Himmel gestohlen, um die Menschen in der Weihnachtszeit zu besuchen. Neugierig sah es sich in der Stadt um, in der es gelandet war, doch es fand in den Gesichtern der Menschen wenig, was an ein Fest denken ließ. Nicht einmal eine feierliche Vorfreude konnte es erspüren. Das Engelchen wunderte sich. Begannen nun nicht die schönsten Menschenfeste im Jahr, die Adventstage mit den Feiern zu Ehren der heiligen Barbara, von Sankt Nikolaus und Santa Luzia und zum Abschluss das Geburtstagsfest des Christkindes? Die Menschen hatten ihre Freude daran doch nicht etwa verloren?
Das Engelchen erschrak. „Aufwecken muss man sie!“, rief es. „Und ihnen von der Freude auf die Zeit der festlichen Feste erzählen! Alle sollen sich freuen!“
Es blickte von seinem Platz im Glockenturm der Sankt Laurentiuskirche hinab auf die Straßen, in denen geschäftiges Treiben herrschte.
„Wie eilig sie es haben! Mir scheint, sie haben viel zu tun. Und warum streiten sie oft miteinander?“, murmelte das Engelchen. „Sie werden darüber aber doch nicht die Freude vergessen?“
Lange dachte es darüber nach. Längst hatte der Tag der Nacht Platz gemacht und es war dunkel geworden und still. Jetzt waren nicht mehr so viele Menschen dort unten unterwegs.
Das Engelchen grübelte noch immer.
„Vielleicht ist es ihnen unangenehm geworden, ihre Freude zu zeigen“, überlegte es. „Ja, so wird es sein! Ganz bestimmt sogar und das fühlt sich nicht gut an. Man muss ihnen helfen. Ich muss …“
Ein Rascheln, das einem Flügelschlag ähnelte und von einem aufgeregten Gurren begleitet wurde, unterbrach seine Gedanken. Wer war das? Das Engelchen erschrak. Es musste sich verstecken. Schnell! Keiner durfte es hier sehen! Eilig hüpfte es vom Fensterbrett hinüber zu den Glocken, die in der Mitte des Turmes hingen, und landete auf der kleinen Friedensglocke, die sogleich begann, aufgeregt hin und her zu schwingen. Dabei sandte sie silberhelle Klänge in die Nacht hinaus. Schön klangen die. Und festlich. Und laut in der Stille der Nacht.
Wie durch einen Zauber aber vermochte ihr Klang niemanden aufzuwecken. Und doch wanderte ihr Lied in die Schlafstuben und kroch in die Träume der Menschen. Darin erzählte es von Festen und Feiern in der Weihnachtszeit, vom Frieden der Menschen untereinander, von der Freude, die alle glücklich machte, und von einem Engelchen, das in dieser Nacht zu Besuch auf der Erde weilte und sein Engelslied sang.
© Elke Bräunling
Engelchen, Bildquelle © nennieinszweidrei/pixabay
Sehr schön, liebe Elke.
Ja. manchmal müssen die Menschen geweckt, aufgeweckt werden.
Heute Nacht habe ich zwar kein Engelslied gehört. Mag sein, dass zu mir das
Engelchen noch kommt!
Ich hoffe sehr, dass trotz aller Widrigkeiten noch ein wenig (es darf auch mehr sein)
Weihnachtsfreude aufkommt.
Christoph
Ach, Christoph, müssen wir uns die Weihnachtsfreude erzwingen? In diesem Jahr würde es nur stressen, sich darum zu bemühen. Sie kann nicht echt sein.
Freuen wir uns über jeden Tag, den wir gesund und einigermaßen sorgenfrei erleben können, und seien wir dankbar. Was ist dagegen ein Fest, das sich wiederholen lässt?
Liebe Grüße und ganz ohne Illusionen, Elke