Ein Glück für den kleinen Winterspatz

Wintermärchen für Kinder – Ein Engelchen bringt den Spatzen Glück … und Futter

Einmal erwachte ein Engelchen in einer Hütte. Es war eine klitzekleine Hütte, fast ein Hüttchen, und die hing in einem Baum. Seltsam.
Das Engelchen erschrak. Wie war es hierher gekommen? Es schloss die Augen und dachte nach. Im Himmel war es gewesen. Die Sterne hatte es besucht und sie hatten gelacht und Spaß gehabt.
„So ist es gewesen und schön ist es gewesen“, rief es und sah sich um. Bestimmt saßen die Sternenfreunde auch irgendwo hier in der Nähe. „Wo seid ihr, Sternchen? Ich kann euch nicht sehen.“
„Sterne wohnen am Himmel, nicht in einem Baum“, antwortete eine fremde Stimme.
Engelchen erschrak. „Du meinst, wir sitzen in einem Baum, nein, besser gesagt in einem Baumhaus?“
Das fremde Wesen kicherte. „Wenn du in unserem Vogelhaus ein Baumhaus siehst, hihi, dann ist es wohl so, hihi.“
„Hihi!“ Weil dieses Hihi so fröhlich klang, musste Engelchen gleich auch kichern. Dann wurde es ernst. Es musterte das Wesen in dem schwarzbraunen Federkleid.
„Und wenn dies ein Vogelhaus ist, so bist du ein Vogel?“, fragte es vorsichtig.
„Ja, ja, ein Vogel bin ich, klar“, antwortete der kleine Vogel. „Ein Spatz, um genau zu sein. Ein hungriger Spatz und ich habe gehofft, hier etwas Futter zu finden. In der Zeit, die die Menschen Winter nennen, finden wir Vögel nämlich nur wenig Nahrung und ich habe fast immer einen Hungerbauch. Winterzeit ist Hungerzeit.“ Der Spatz hockte sich zu Engelchen ins Vogelhaus und seufzte. „Und nun finde ich hier nur dich, Fremdling, und keine Samen, Kerne, Nüsse. Was habe ich für ein Pech!“
„Ich scheine wohl auch Pech zu haben“, rief Engelchen und es sah dabei gar nicht traurig oder erschrocken aus, „denn ich glaube, ich bin wohl vom Himmel gefallen. Und das ist nun dein Glück.“
„Dein Pech ist mein Glück?“ Mit großen Augen blickte der kleine Spatz das Engelchen an. „Ein seltsames Glück wäre das, nein, ein trauriges, meinst du nicht auch?“ Er stutzte. „Ist die Zeit der Engel nicht längst vorüber?“
„Hihi! Uns gibt es immer, jeden Tag im Jahr. Nur scheinen die Menschen uns die meiste Zeit nicht zu vermissen. Komisch, nicht?“
„Ja, ko-komisch“, stammelte der kleine Spatz, der das alles gerade gar nicht verstehen konnte.
Da lachte Engelchen und mit jedem Lacher erhellte sich die Nacht im Garten rund um den Apfelbaum ein bisschen mehr, so dass alle Vögel erwachten und herbei flogen.
„Ich purzle immer dann zur Erde, wenn jemand meine Hilfe braucht. Und hier, scheint mir, bin ich heute richtig“, erklärte es und griff in die Tasche seines Engelsgewands. Und da passierte das kleine Winterwunder: Überall im Garten und in allen Vogelhäusern lagen auf einmal wunderfeine, leckere, knackige Kerne und Flocken, Rosinen und Nüsse. Was für ein Glück! Die Vögel konnten sich daran so satt essen, dass sie noch viele Tage später keinen Hunger verspürten.
Noch lange sah das Engelchen ihnen beim Genießen zu, bevor es in den Himmel zurückkehrte. Dass der kleine Spatz ihm hinterher winkte, sah es nicht mehr. Noch oft erzählte der später, als er längst ein Großvater Spatz geworden war, von diesem Winter, in dem ein Engelchen mit ihm gelacht und in den Garten himmlische Nüsse gebracht hatte.

© Elke Bräunling

Dazu passt auch dieses Gedicht: Tierwinter


Winterglück, Bildquelle © hulbing/pixabay

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