Die Winterzeit ist nah

Ein Waldspaziergang zum Ende des Herbstes – Fantasiereise mit Anleitungen

Deine Laune ist heute grau. Sie ist wie das Wetter dieses Frühwintertages: weiß-schwarz, hell-dunkel, sonnig-schattig, warm-kalt, wundervoll-griesgrämig. Alles auf einmal. Irgendwie.
Die wärmende Sonne des späten Herbstes hat sich über Nacht verabschiedet und einer feuchten Kälte Platz gemacht. Deine gute Laune scheint sie mitgenommen zu haben.
„Das Wintertheater beginnt“, murmelst du. Und wie immer, wenn du deine gute Laune vermisst, machst du einen Spaziergang in den Wald.
Düster ist es auch hier, kühl, abweisend und nass. Nebelschwaden umschmiegen Bäume und Büsche. Es ist, als wollten sie sie wie Schleier vor der feuchten Kälte schützen.
Du gehst schneller und wenig später stehst du oben am Berg. Dort lehnst du dich an den Stamm einer verkrüppelten Eiche, die hier über dem alten Steinbruch ein karges Dasein fristet.
Du blickst in die fahlbraune Baumkrone und lauschst dem Gesang der wenigen Blätter, die von der Macht der Herbststürme verschont geblieben sind. Deren Stimmen klingen hart und rau. Wenn
sie einander im Wind berühren, klackert es leise. Klack, klack! Der Herbst hat sie gehärtet, die Sonne hat sie ausgetrocknet. Sie flüstern nicht mehr im Wind, sie klackern nun.
„Die Blättermelodie des frühen Winters“, murmelst du, und irgendwie gefällt dir dieses ‚Klack, klack’. Du fühlst dich besser nun und ruhiger und du spürst, wie sich deine schlechte Laune mitsamt der Wehmut, die dich ein bisschen traurig gestimmt hat, verabschiedet.
„Die Winterzeit ist auch schön“, klackklackern die Blätter dir zu. „Sie gehört zum Kreislauf des Jahres. Genieße sie! Hab Freude auch an ihr!“
Du nickst und denkst an den wärmenden Eintopf, der auf dem Herd schmurgelt, an gebratene Steinpilze mit Petersilie und frischem, noch warmen Schwarzbrot, an Pfefferminztee und Apfelkuchen mit Zimt, an Honigkerzen und Kaminfeuer, an Schneeflockenwirbel und die leise Musik des nahenden Winters … und spürst, wie die Freude zu dir kommt.
„Ihr habt recht“, rufst du zu den Blättern hinauf.
Die erröten im Schein eines flüchtigen Sonnenstrahls und lächeln dir in ihrem gelb-rost-rot-braunen Gewand für einen kurzen Moment zu.
„Bald!“, raunen sie dir mit einem Klackern, das wie ein Lachen klingt, zu. „Der Schnee, er naht.“
„Na, dann“, sagst du und lachst auch. „Bis bald. Ich komme wieder.“
Und mit einem heiteren Gefühl der Vorfreude machst du dich auf den Heimweg, der heimischen Wärme und Gemütlichkeit entgegen.

* Was noch hast du bei deinem Waldspaziergang gesehen und erlebt? Hast du dich auch mit anderen Bäumen oder mit Büschen, Steinen oder gar den Nebelwolken unterhalten? Hast du die Waldtiere getroffen und dich von den letzten Zugvögeln verabschiedet? Hast du Tannenzapfen, Hagebuttenzweige, Wintergräser und andere Schätze des Waldes mit nach Hause gebracht?
Bestimmt hat dir deine Fantasie viele schöne Begegnungen beschert.
* Erzähle, was du auf deiner Wanderung in der Fantasie gesehen und erlebt hast
* Stelle dir vor, wie die letzten Blätter von den Bäumen fallen und von ersten Schneeflocken ‚geküsst’ und bedeckt werden.
* Erzähle, wie du dich nun fühlst. Und erzähle, worauf du dich in diesem Winter freust. Welche Bilder liebst du, welche Gedanken, welche Speisen, welche Rituale zuhause im warmen Zimmer?
* Erinnere dich in Momenten, in denen dir in der nächsten Zeit vor dem kalt-nassen Winterwetter graust, an diesen Waldspaziergang. Stelle dir vor, du stehst oben auf dem Berg bei der verkrüppelten Eiche und blickst über die Bäume des Winterwalds hinweg ins Tal hinab. Genieße die Stille, die von diesem Anblick ausgeht.
Lehne dich an den Stamm der Eiche, schließe für einen Moment die Augen und mache eine kleine Entspannungsübung. Sage dir die folgenden entspannenden Sätze einige Male leise vor:
Schwer werden meine Arme und Beine. Ganz schwer.
Warm werden meine Arme und Beine. Ganz warm.
Schwer und warm.
Ich bin ganz ruhig und entspannt.

© Elke Bräunling


Novemberstimmung, Bildquelle © wernerredlich/pixabay

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