Engel gehen nicht verloren
Weihnachtsgeschichte für Groß und Klein – Ein kleiner Engel wird im Wald vermisst. Eine Suche
Tannenzweige wollen Pia und Pit im Wald mit Opa und Großtante Luise holen. Und die alte Bergkapelle wollen sie besuchen, um dort Ausschau zu halten nach einem kleinen Engel aus Stein. Großtante Luises Vater, der Opas Onkel Hans war, hatte diesem kleinen Engel dort vor vielen Jahren seinen Platz gegeben. Er sollte den Kapellenbesuchern Glück bringen. Als Großtante Luise ihn neulich aber einmal wieder besuchen wollte, hat sie ihn nicht wiederfinden können.
„Engel gehen nicht verloren“, hat Opa gesagt, und nun sind sie unterwegs auf der Suche nach dem kleinen Engel.
Der Weg führt durch einen Tannenwald und ist von samtweichen Nadeln und Tannenzapfen bedeckt. Er ist steil. Die Vier sind mächtig aus der Puste, als sie sich dem Bergkamm nähern. Der ragt weiß vor ihnen auf. Schneeweiß.
„Schnee!“, ruft Pia.
„Wow! Der erste Schnee in diesem Winter!“, staunt Pit. „Das ist mega.“
Nun beeilen sich die Geschwister noch mehr, um schnell in die weiße Winterwelt zu kommen. Die zarte Schneekruste knirscht unter ihren Füßen, und das fühlt sich richtig weihnachtlich an.
Die Spitze des Kapellentürmchens mit dem silbernen Kreuz und die Tannen, die es umsäumen, sind von hier nun schon zu sehen. Bald haben sie die kleine alte Kapelle mit den verwitterten Buntsandsteinen und dem puderweißen Dach erreicht.
„Schön ist es hier!“, staunt Pia.
„Wie in einem Weihnachtsmärchen“, sagt Pit. „Würde mich nicht wundern, wenn wir das Christkind oder seine Helfer treffen würden.“
„Und unseren kleinen Engel aus Stein“, ergänzt die Großtante.
„Den vor allem“, sagt Opa. „Ich erinnere mich, dass er am Hang seinen Platz hat. Damit er zu den Menschen im Tal blicken kann, hat Onkel Hans mir mal erklärt. Dort müssen wir suchen.“
„Das ist aber schwer, hier in diesen stacheligen Sträuchern einen Engel zu finden“, meint Pia.
„Und alles ist hier voller Steine“, sagt Pit. „Vielleicht hat sich der Engel in einen Stein verwandelt?“
„In der Weihnachtszeit ist alles möglich“, meint Opa. „Vielleicht verwandeln sich auch Steine in Engel?“
„Das wäre toll!“ Pia krabbelt unter die dichte Wildrosenhecke mit den spitzen Stacheln und den Hagebutten, die ein kleines Schneehütchen tragen. Dort tastet sie sich von einem Stein zum anderen.
„Wo bist du, kleiner Engel aus Stein?“, flüstert sie. „Wo bist du?“
Plötzlich glaubt sie so etwas wie ein leises „Hier! Hier bin ich!“ zu hören.
Da tastet ihre suchende Hand auch schon über einen Stein, der sich wie ein Gesicht anfühlt, genauer gesagt wie ein Stein mit einem Mund, einer kleinen spitzen Nase und zwei Augen.
„Der Engel! Ich habe den Engel gefunden!“
Jubelnd ruft Pia ihren Bruder, die Großtante und Opa herbei, und dann dauert es nicht mehr lange, bis sie den kleinen Engel befreit haben. Der hat von der Zeit eine grüne Farbe bekommen und ist voller Algen und Flechten.
„Der Engel! Er ist es“, freut sich die Großtante. „Nun kann Weihnachten kommen.“
Sorgsam säubern sie den kleinen Engel und entfernen all die Äste, Zweige, Gräser und Steine, die ihm sein dunkles Versteck ‚gebaut‘ haben. Dann machen sie sich auf den Heimweg. Es dämmert schon. Die Tannenzweige haben sie vergessen … aber das ist eine neue Geschichte.
© Elke Bräunling
Diese Geschichte ist die Fortsetzung dieser Geschichte “Erinnerung an einen Engel”, in der Großtante Luise von einem Schutzengel, der in der Weihnachtszeit vor vielen Jahren viele Leben gerettet hatte, erzählt.
Kleiner Engel, Bildquelle © matthiasboeckel/pixabay